Wintertagung 07. und 08.01.2023 auf Schloss Hamborn

Das ist ein Bild der Wintertagung 2023 in Borchen

Marcel Waldhausen griff viele bekannte Aussagen des landwirtschaftlichen Kurses auf und ergänzte sie mit neuen Gesichtspunkten.

Welche Aufgabe ergreifen wir? 

Am 07 und 08.01.2023 fand nach längerer Corona-Pause wieder die Wintertagung von „Demeter im
Westen“ auf dem Hofgut Schloss Hamborn bei Paderborn statt. Das Tagungsthema ergab sich in der
Frage „Welche Aufgabe ergreifen wir?“


Die Einleitung, wonach der bleierne Saturn durch die Bäume des dunklen Waldes spricht und der
Mensch aufgefordert wird, die Verantwortung für die Not der Zeit und der ganzen Menschheit zu
fühlen, sodass er mit Innigkeit und Ernst die Aufgabe ergreifen, die ihm das Leben stellt
(abgewandelter Baumspruch für Samstag nach Johannes Hemleben), entspricht der Stimmungslage
auf vielen Höfen. Hierzu gehören extreme Witterungsverläufe, fehlende Mitarbeiter, die man aber
auch nicht bezahlen kann, steigende Kosten für Energie und Vorleistungen bei gleichzeitigen
massiven Absatzeinbrüchen. Auf dieser Wintertagung wurde danach gefragt, wie die Höfe auf diese
Herausforderungen konstruktiv reagieren und sich unabhängiger machen.


Nach einer musikalischen Einstimmung und Begrüßungsworten des Gastgebers und des Trägerkreises
hielt Klaus Strüber, Berater für Projekte der solidarischen Landwirtschaft und für
Organisationsentwicklung, einen Vortrag wie Betriebe ihre Resilienz stärken können. Die
kapitalistische Gesellschaftsform verursacht weltweit prinzipiell viele Schwierigkeiten. Davon
ausgenommen scheinen die Kogi-Indianer in Kolumbien zu sein, die nie Krieg führen, nie kritisieren
und viel nachdenken. Dies ist wegweisend für gestresste Bauern und Gärtner. Es ist wichtig, so Klaus
Strüber, dass jeder eine geiststärkende Tätigkeit findet. Er persönlich entspannt sich nach eigenen
biografischen Krisen mit Yoga. Für andere kann es die anthroposophische Meditation oder Dauerlauf
sein. Auf der betrieblichen Ebene wurde das Konzept des lean farmings vorgestellt. Hierbei steht
zunächst eine Detailanalyse der Wertschöpfung an, um mit weniger Arbeit das gleiche Geld zu
verdienen. Dabei ist vor allem die Reduzierung der Kosten angestrebt, wozu z. B. auch ein
aufgeräumter Arbeitsplatz zählt. Fragestellung kann sein, wie man mit optimierten Handgriffen die
Arbeitszeit für den Anbau einer Salatpflanze um 5 Sekunden reduzieren kann. Bei 100000 Pflanzen
kommt somit eine erhebliche Zeitersparnis zusammen. Ziele sind geregelte Arbeitszeiten auch in der
Hauptsaison, Urlaub und angemessene Löhne.

  • In der folgenden Podiumsdiskussion stellten Praxisvertreter mit unterschiedlichen betrieblichen
    Schwerpunkten ihre Strategien auf die oben genannten Herausforderungen unserer Zeit vor. Der
    Obstbauer Lothar Krämer verbessert die Bestäubung seiner Kulturen durch die Züchtung von
    Wildbienen, der Milchviehhalter Raphael Mexner feilt an den Futterrationen, der Gärtner Kai
    Himstedt denkt über Anbau mediterraner Früchte nach, der Ackerbauer Enno Eilers setzt verstärkt
    auf den Häufelpflug und baut Winterackerbohnen und Winterhafer an. Einzig der Solawi-Gärtner
    Philipp Lang hatte keine finanziellen und sonstigen Einbrüche zu beklagen. Diese Art der
    Wirtschaftsform mit einer Vorfinanzierung der Ausgaben und einer starken Verbindung der Kunden
    mit dem Hofgeschehen stärkt die Resilienz einer Landbewirtschaftung in besonderer Weise.
  • Einigkeit bestand darin, dass tradierte Rezepte und Lehrbuchwissen zunehmend an Bedeutung
    verlieren und Kreativität gefragt ist, aber auch, dass Dinge ihre Zeit brauchen und Menschen ihre
    Seelenhygiene pflegen müssen. Aus dieser andachtsvollen Stimmung heraus schloss sich ein
    Dialogspaziergang an - übrigens mit Damenwahl -, in dem die Eindrücke nochmal reflektiert wurden.
    Mit einem reichhaltigen Abendbuffet und einer musikalischen Darbietung irisch-schottischer Weisen
    endete der Abend.


Am nächsten Tag stimmte man sich in bewährter Weise mit der musikalischen Einlage Hamborner Musiker, dem Duo "Vielsaitig", auf den Vortrag von Marcel Waldhausen ein, Betreuer für Demeter Erzeugerbetriebe in Nordrhein-Westfalen und bekennender Landwirtschaftlicher Kurs-Enthusiast. Vor knapp hundert Jahren, als der Landwirtschaftliche Kurs gehalten wurde, gab es ähnliche Verhältnisse wie heute: Der erste Weltkrieg, politische Umbrüche, Straßenschlachten, Hyperinflation, Spanische Grippe. Die Kraft des Urimpulses des Landwirtschaftlichen Kurses geht verloren. Er muss neu ergriffen werden. Marcel Waldhausen griff viele bekannte Aussagen des landwirtschaftlichen Kurses auf und ergänzte sie mit neuen Gesichtspunkten.


Ein Landwirt ist ein tätiger Meditierender hellriechend werdend an seinem Kompost. Die Düngung und Ernährung sind außerordentliche Geheimnisse. Der Mensch ernährt sich in erster Linie kosmisch über die Sinne und bildet auf diesem Wege Körpereiweiß, lediglich Nerven und Gehirn werden über feste Nahrungsstoffe gebildet.


Ein Haufen aufgeworfener mineralisierter Erde nähert sich dem Wesen des Pflanzenreiches. Er wird von Ätherkräften durchzogen, die für Pflanzen charakteristisch sind. Beim Baum spielt sich alles eine Etage höher ab. Der Baum - als ausgestülpter Erdhaufen betrachtet - hat diese Ätherkräfte v. a. im Bereich der Krone, dem Ort der Fruchtbildung, die Rinde hat das Bestreben, Mineral zu werden und die Wurzeln repräsentieren das eigentlich Mineralische. Jede Pflanze strebt danach Baum zu werden. Im Kurs wird beschrieben, dass Pflanzenkompost in dünnen Schichten aufgesetzt für Wiesen, Weiden, Obst und Garten der ideale Dünger ist. Diese Düngung wirkt in der Verlebendigung des Bodens nicht auf das vegetative Wachsen von Stengeln und Blättern, sondern auf die Blüten- und Fruchtbildung. Marcel Waldhausen hat sich von der Skizze im Landwirtschaftlichen Kurs, die im vierten Vortrag den Erdhügel mit der kraterförmigen Vertiefung darstellt, inspirieren lassen und im Herbst einen kreisförmigen fein aufgeschichteten und präparierten Pflanzenkompost (ohne tierischen Mist!) aufgesetzt, der interessanterweise in der Mitte einen natürlichen Krater herausbildet. Drei Monate später war der Kompost komplett vererdet. Im Übrigen haben wir beim Rühren der Präparate eine ähnliche Kraterbildung. Es wurde betont, dass entgegen der üblichen bio-dynamischen Praxis eine explizite Mistkompostierung im Kurs nicht gefordert wird.

Von diesem Vortrag waren die Anwesenden sehr angetan. Und so ging es voller Elan mit Gruppenarbeit in die nächste Runde. Die Gesprächskreise konnten ihre Ideen und Gedanken zum bisherigen Tagesverlauf kundtun und entsprechend ergänzen, was auch nach jedem Vortrag möglich war. Zusammenfassend wurde deutlich, dass die nachwachsende Generation bezüglich der Arbeitszeiten neue Vorstellungen auf die Betriebe bringt im Sinne einer Work-Life Balance, mit denen sich viele ältere Betriebsleiter zunächst schwertun. Nur über das Zaubermittel Kommunikation kann ein gegenseitiges Wahrnehmen und Wertschätzen ermöglicht werden.
Ein zweiter Punkt bestand in der Feststellung, dass die Abhängigkeiten vom Markt die Höfe stark belastet. Intensiv wurde über die immer sich stärker ausbreitende Solawi-Landwirtschaft gesprochen, die durch Verbrauchersolidarität diese Abhängigkeiten auflöst oder zumindest reduziert.
Über allem steht für unsere Arbeit aber die Inspirationsquelle des Landwirtschaftlichen Kurses.

Wieder einmal hat sich das Format bewährt, sich nach einem musikalischen Einstieg im Wechsel von Vorträgen, Plenumssitzungen und aktiven Gruppenarbeiten mit dem Tagungsthema auseinanderzusetzen. Die kulinarische Versorgung war exzellent, das Pausengespräch intensiv, die Organisation reibungslos, sodass jede/jeder mit neuem Schwung und neuen Ideen, die in Zukunft zu ergreifenden Aufgaben auf seinem Hof bewältigen kann.


Enno Eilers, Hofgut Schloss Hamborn