Dietrich Praum von Regal mit Produkten der Firma Sommer

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160 Jahre Sommer und 100 Jahre Demeter

Dietrich Praum
Praum & Sommer GmbH, 61267 Neu-Anspach

 

1864 wurde das Unternehmen Sommer gegründet und 1924 hielt Rudolf Steiner den Landwirtschaftlichen Kurs, womit er den Grundstein für die biodynamische Landwirtschaft legte. Zwei Jubiläen fallen also in einem Jahr zusammen.

Ein schöner Anlass für ein Gespräch mit dem Unternehmensinhaber Dietrich Praum und der Marketingleiterin Manuela Eschment von Sommer dachten wir, und so machten sich Andrea Schürgers (Geschäftsführende Vorständin Demeter im Westen) und Thorsten Keuer (Referent regionale Marktentwicklung Demeter im Westen) auf den Weg nach Neu-Anspach. Schon beim Einbiegen in die Rudolf-Diesel-Straße strömt einem ein warmer Duft entgegen und man ahnt, hier wird gebacken. Lesen Sie von einer langen Familientradition, die mit Zwieback begann.

Schürgers: Wussten sie denn immer schon, dass Sie diese Firma einmal übernehmen wollen? War das ein Kindheitstraum?

Praum: Das war es tatsächlich. Ich bin ja in dem ganzen Kontext Familienbetrieb groß geworden. Als ich Kind war, haben wir direkt im Firmengebäude gewohnt. Mit meinen Eltern, meiner Schwester, meiner Tante, meinem Onkel, meinen Großeltern … und vielen Katzen (lacht). 

Also das war eine große Familie,

die Firma und die Familie, das war eins.

Wenn ich von der Schule nach Hause kam, war ich im Prinzip im Hof der Firma, bin durch die Produktion gelaufen, die Leute haben mich begrüßt, ich hab die Leute begrüßt. Und als ich noch Kind war, habe ich entschieden: Das will ich mal machen!

Dann hab ich mal kurz was anderes gemacht, aber nicht lange. Ich habe eine kaufmännische Lehre gemacht, dann Betriebswirtschaft studiert und war noch mal kurz in anderen Firmen, um ein bisschen was anderes zu sehen. Aber ich habs nicht länger als eineinhalb Jahre woanders ausgehalten. Dann bin ich nach Hause gekommen und habe – wie man so sagt - von der Pike auf alles gelernt, also in der Produktion angefangen.

Und dann hab ich den Entschluss gefasst, dass wir an unserer Firmenstrategie einiges ändern müssten um auch die Zukunft langfristig zu sichern. Wir waren ja ein sehr kleiner Hersteller, sind ja immer noch kein großer, aber bedeutend größer als damals. Ich hab dann entschieden, dass wir uns bei der Betriebsgröße, die wir hatten, aus dem Massengeschäft zurückziehen und mehr nach Qualität streben mussten statt nach günstigen Preiseinstiegsprodukten, so war das nämlich damals.

Und was liegt da näher, wenn man sich mit höchster Qualität befasst, als zu sagen, ich mach das jetzt alles, was wir haben, in Bio.

Das heißt, wir haben dann mit meinem Einstieg in die Firma begonnen, unser Sortiment auf Bio umzustellen. Ich bin 1996 in die Firma eingetreten, 1998 haben wir dann die ersten Bio-Produkte gemacht. Fünf Jahre später hatten wir einen Demeter-Vertrag. Das kam aus dem Gedanken, die bestmögliche Qualität herzustellen, im Rahmen unser rezepturlichen Möglichkeiten.

Keuer: Wie war der Generationswechsel von Großvater, Vater und zu Ihnen - ist das Hand in Hand gegangen?

Praum: Mein Großvater war schon lange verstorben, die Generation der Großeltern war nicht mehr da, als ich in die Firma gekommen bin, wohl aber mein Vater, meine Mutter und mein Onkel. Mein Vater und mein Onkel haben sich die Geschäftsführung geteilt, mein Onkel war der kaufmännische Geschäftsführer und mein Vater der technische Produktions-Geschäftsführer. Der Generations-Übergang war äußerst harmonisch. Großes Lob an die Eltern-Generation, das war schon beispielhaft. Wie die das geschafft haben, mich als jungen Nachfolger meine Sachen machen zu lassen. Sie haben sich immer nur stückweise zurückgezogen, so wie sie gesehen haben, dass das der richtige Weg ist. Aber sie sind immer da geblieben und haben mich unterstützt in meinem Tun.

Es war nicht besonders schwierig,

die Produkte in Bio-Qualität herzustellen,

weil wir sowieso nicht mit irgendwelchen

Helferlein aus der Trickkiste gearbeitet haben.

​​​​​​​Schürgers: Hat die Umstellung auf Bio Bestätigung gefunden oder mussten sie dafür erst Verständnis schaffen?

Praum: Ja zumindest musste ich das mal erklären, weil das für die ältere Generation nicht so präsent war, wie für mich. Aber sie haben sehr schnell verstanden, dass das für uns der richtige Weg ist. Wir waren zwar nicht im Premium-Segment unterwegs, aber wir hatten schon immer sehr schlanke Rezepturen, was sehr gut zu Bio passt.

Das heißt auch, das es für uns von der Produktentwicklung her nicht besonders schwierig war, die Produkte in Bio herzustellen, weil wir sowieso nicht mit irgendwelchen Helferlein aus der Trickkiste gearbeitet haben, sondern nur mit ganz normalen Rohstoffen, ohne Aromen und Stabilisatoren. Daher war es gar kein Problem, den Zwieback und die ganze Kekslinie auf Bio umzustellen.

Dietrich Praum mit Zwieback

Dietrich Praum zeigt uns den Ursprung der Zwiebackproduktion

Bildrechte
Demeter im Westen

​​​​​​​Keuer: Was war der Auslöser, der Impuls, um auf die Bio-Herstellung zu wechseln?

Praum: Ja, wie gesagt, meine gewünschte Ausrichtung hin zu mehr Qualität im Sinne von Qualität des Produktes, angefangen beim Rohstoff natürlich, und dann in der Verarbeitung. Die Umstellung wurde aber auch ausgelöst durch Menschen, die ich kennen lernte und die mich an die Hand genommen haben. Das war auch eine große Motivation, dass ich dann die Demeter-Mitgliedschaft angestrebt habe. 

Der Mensch, der mich da am meisten mitgenommen hat, war Karl Huober. Wir haben sehr früh angefangen, zusammenzuarbeiten. Wir durften für ihn eine Zeitlang Demeter-Zwieback herstellen und da waren wir sehr häufig in sehr intensiven Gesprächen und haben uns oft gesehen. Er hat mir viel über Demeter-Landwirtschaft, über Anthroposophie und auch über seinen Werdegang gesagt. Er hat mir erzählt, wie er als jüngerer Mann eingestiegen ist, da gab es gewisse Parallelen. Im Prinzip habe ich mich von ihm inspirieren lassen, wie man für eine konventionelle Firma die Umstellung schafft auf sinnvolle Produkte, dann auch auf Demeter Produkte.

Schürgers: Was hat sich für Sie besonders verändert oder was war die größte Herausforderung bei der Umstellung?

Praum: Das war keine Herausforderung, das lief. Es war eigentlich immer das Gefühl, so soll es sein. Also das Einzige, was natürlich ein bisschen herausfordernd war, war die richtigen Partner zu finden auf der Lieferantenseite, weil wir natürlich andere Lieferanten hatten zu diesem Zeitpunkt.

​​​​​​​Schürgers: Zum Zwieback sind viele Produkte dazu gekommen. Wie hat sich die Produktpalette entwickelt in den letzten 160 Jahren?

Praum: Also in den letzten 160 Jahren war es so, dass in den ersten 80 Jahren tatsächlich nur Zwieback hergestellt wurde. Dann ging es so langsam los, in den 20er, 30er Jahren, dass bei uns Süß- und Salz- Gebäck gemacht wurde. Am Anfang Süß-Gebäck nur zu Weihnachten. Dann kam mit der Zeit die Salzbrezel- und Salzsticks-Produktion dazu und das ist so geblieben bis in die 90er. Dann haben wir anfangen mit der Umstellung auf Bio, und damit haben wir auch angefangen, mehr Rezepturen zu kreieren. Bei Zwieback ist zum Beispiel der ungesüßte Zwieback entstanden. Bis dahin waren alle unsere Zwiebacke gesüßt, es war halt so, dass Zwieback süß war. Aber der Naturkosthandel hat ungesüßten verlangt.

Im Gebäckbereich haben wir dann viele neue Kreationen geschaffen, um nicht nur in der Vorweihnachtszeit Programm anbieten zu können, sondern das ganze Jahr über. Es sind auch viele salzige Produkte und Snacks dazugekommen, aber nicht Salzlaugen- und Salzsticks-Gebäck, das haben wir eingestellt. Dafür gibt es jetzt unser Pane Picco, das es ja jetzt auch schon seit 15 Jahren gibt.

​​​​​​​Keuer: Wie nehmen Sie ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fachlich mit?

Praum: Wir haben interne Schulungen, die in der Regel vom Bereich Qualitätsmanagement durchgeführt werden und da schulen wir das Verständnis für Bio und Demeter. Das wird so begleitend immer mitgeschult, weil das für das Verständnis der Rezepturen und der Arbeit und für das Verständnis der verschiedenen Marken, die wir machen, auch ganz, ganz wichtig ist. Wir machen ja neben unserer Marke Sommer auch die eine oder andere Handelsmarke und dann ist natürlich wichtig, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch die Rezepturen verstehen und wissen, worauf es ankommt hier an bei den Produkten.

Schürgers: Sie kommunizieren auf der Homepage sehr stark die regionale und saisonale Ernährung. Haben sie die Lieferanten auch hier im Bereich? Wie ist der Kontakt zu Ihren Lieferanten?

Praum: Natürlich versuchen wir, soweit es geht, regional einzukaufen. Das ist natürlich bei Demeter-Dinkel nicht so leicht, weil die Mühlen nicht hier im Rhein Main Gebiet ansässig sind. Aber wir kaufen bei den Mühlen, die uns geografisch am nächsten sind. Das Getreide, das die vermahlen, das kommt überwiegend aus Hessen, Rheinland-Pfalz oder Saarland, also schon regional im weiteren Sinne. Hier um den Kirchturm herum gibt es keinen Dinkel-Anbau, es ist kein Dinkel-Anbaugebiet hier und es gibt jetzt auch in unmittelbarer Nähe keine Bio- und schon gar keine Demeter-Mühle.

Keuer: Das Biosegment im allgemeinen, aber auch in ihrem Unternehmen ist ja in den letzten Jahren ziemlich stark gewachsen. Hätten Sie vor 20 Jahren gedacht, dass sich das einmal in dieser Größenordnung so entwickelt?

Praum: Das hab ich mir so gedacht, ja. (Alle lachen)
Jedenfalls für mich war klar, als wir mit Bio anfingen, dass das nicht nur eine Modeerscheinung ist, sondern dass das eine grundlegende Änderung im Bereich Landwirtschaft und Ernährung sein wird. Das lag ja damals schon auf der Hand, dass es so nicht weitergehen kann und dass die Kunden auf jeden Fall mehr und mehr zu naturnaher Ernährung tendieren und dann ist das eben Bio oder Demeter oder auch ein anderer Anbauverband.

Als wir entschieden haben, uns dem Bereich Bio zu widmen, waren wir ja auch so eine kleine Firma, dass auch der Markt damals schon – der noch viel kleiner war als der jetzige - längst groß genug war, dass wir da Platz finden konnten. Als kleiner Hersteller hat uns damals schon das Potenzial gereicht und umso schöner ist es, dass das noch gewachsen ist durch den Zuspruch der Kundinnen und Kunden. Wir waren damals, als wir anfingen, bei einem Bio Anteil von ein bis zwei Prozent. Das hat sich vervielfacht seitdem. Und der Bio-Anteil bei uns im eigenen Unternehmen der liegt schon seit fast 20 Jahren bei so gut wie hundert Prozent.

Cantucchini - ein süßes Gebäck mit einer besonderen Geschichte

Schürgers: Gibt es ein Produkt, dem sie selbst am wenigsten widerstehen können?

Praum: Cantuccini - das ist das erste Produkt, das ich entwickelt habe als Neu-Zugang hier in der Firma. Es ist nach wie vor eines unserer besten, also von den Verkaufszahlen - und auch das, was von mir am meisten verzehrt wird.

Keuer: Was macht das Produkt so besonders?

Praum: Die Geschichte zum einen und dass es einfach wahnsinnig lecker ist. Lecker ist es, weil es einfach eine tolle Rezeptur ist: Viele Mandeln, schön süß, knackig. Ich mag gern knusprige Konsistenzen bei Keksen.

Und besonders ist es von der Geschichte her. Die Idee habe ich aus den Flitterwochen mitgebracht…

Schürgers: Aus Italien dann wahrscheinlich?

Praum: Tatsächlich nein, aus Kalifornien. (Alle lachen)

Die Idee haben wir in den Coffee-Shops bekommen. Dort gab es ein Produkt, das hieß Biscotti – in Amerika heißen sie halt Biscotti. Die waren zwar knüppelhart, aber wir dachten, wenn wir die besser machen, dann können wir die gut in Deutschland verkaufen. Wir sind dann heim gekommen und haben uns an die Entwicklung dieses Produkts gemacht. Es ist bis heute eines der ganz starken Produkte. Und inzwischen heißt es auch Cantuccini – eben wie in Italien.

Schürgers: Und Sie tauchen es dann in einen Vin Santo … oder eher in Kaffee?

Praum: Vinsanto mag ich nicht. Ich finde es passt besser zu einem Kaffee oder Espresso. Ich finde, man kann sie auch gut so essen.

Man muss den Funken überspringen lassen.

Nicht nur in der Familie, sondern auch auf alle Kolleginnen und Kollegen.

Das heißt, da muss auch Spaß bei der Sache sein!

Schürgers: Haben sie einen großen Wunsch, was Sie gerne entwickeln würden? Ihr Gebäcktraum oder Ihr Unternehmenstraum?

Praum: Mein Traum ist, dass ich die Firma so aufstelle, dass sie funktioniert, wenn ich sie nicht mehr mache. So wie es die letzten 160 Jahre auch war, dass es immer von einer zur nächsten Generation einen guten Übergang gab. Mit Menschen, die übernommen haben, die wirklich ihr Herzblut darein gegeben haben. Das sehe ich auch als meine Verantwortung, weil hier ja eben 105 sehr geschätzte Kolleginnen und Kollegen arbeiten. Eine Firma ist halt nicht ‘ne One-Man-Show von einem Unternehmer oder Inhaber, sondern das ist eine Gemeinschaftsveranstaltung. Und das wäre wirklich mein Traum, dass das noch Generationen weiter läuft. Ich bin jetzt die Fünfte, es wäre schön, wenn es mal die Zehnte gibt….in welcher Konstellation auch immer.

Ich glaube, was uns ausmacht, ist Unabhängigkeit, familiäres Umfeld. Und das geht auch nur bis zu einer bestimmten Größe, deshalb ist Wachstum nicht unbedingt eine Wunsch-Vorstellung, sondern mein Wunsch ist, dass es tragfähig ist und das geht eben nur mit den richtigen Produkten, mit Qualität.

Keuer: Das heißt also, der Generationenwechsel und unternehmerischer Erhalt sind schon mit im Fokus. Gibt es schon Menschen, die aus der Familie oder aus der unternehmerischen Familie heraus ambitioniert sind, das in Ihrem Sinne weiterzuführen?

Praum: Na ja, ich bin jetzt Mitte 50, also es ist jetzt noch nicht so akut (lacht).

Aber natürlich muss man sich auch immer Gedanken machen, wie geht es mal weiter, wenn ich nicht mehr bin – es kann immer etwas passieren.

Aber es gibt noch nichts Konkretes, nein. Allerdings gibt es Hoffnungen…auf Seiten der Kinder. Ich habe Hoffnung, dass sie Spaß daran haben.
 

Schürgers: Das ist ja ein Prozess, der lange dauert, da muss man ja auch reinwachsen.

Praum: Ja, das geht nur freiwillig. Die Entscheidung muss reifen und es muss auch die Fähigkeit da sein. Es reicht nicht, es nur gerne zu machen. Aber viel wichtiger als das ist die innere Einstellung, sich dafür auch ins Zeug zu legen. Wenn man es selber mit Herzblut macht, findet man auch Begleiter, die da mitgehen. Man muss den Funken überspringen lassen. Nicht nur in der Familie, sondern auch auf alle Kolleginnen und Kollegen. Das heißt, da muss auch Spaß bei der Sache sein! Wir haben natürlich das Glück, dass wir Produkte haben, die auch einen Spaßfaktor haben. Man braucht sie nicht als Grundnahrungsmittel, aber sie versüßen das Leben. Wenn man sie isst, macht das Freude. Das wollen wir mit unseren Rezepturen vermitteln und mit unserem Auftritt. Deshalb haben wir – passend zum Jubiläum – auch die Gestaltung überarbeitet und aktualisiert – aber so farbenfroh wie bisher auch. Um diese Freude am Backen, die wir alle haben, zu transportieren.

Schürgers: Das ist ein hervorragender Schlusssatz. Möchten Sie uns dann noch was mit auf den Weg geben?

Dass wir mit Demeter weiter so gut zusammenarbeiten wie bisher auch. Es war die richtige Entscheidung, dass wir uns damals für diesen Verband entschieden haben. Es war auch überhaupt nicht die Frage, machen wir Demeter oder was anderes. Sondern der Wunsch war damals, wir machen Demeter. Und wenn ich es heute zu entscheiden hätte, würde ich es genauso wieder machen.

 

Schürgers: Wussten sie denn immer schon, dass Sie diese Firma einmal übernehmen wollen? War das ein Kindheitstraum?

Praum: Das war es tatsächlich. Ich bin ja in dem ganzen Kontext Familienbetrieb groß geworden. Als ich Kind war, haben wir direkt im Firmengebäude gewohnt. Mit meinen Eltern, meiner Schwester, meiner Tante, meinem Onkel, meinen Großeltern … und vielen Katzen (lacht). Also das war eine große Familie, die Firma und die Familie, das war eins. Wenn ich von der Schule nach Hause kam, war ich im Prinzip im Hof der Firma, bin durch die Produktion gelaufen, die Leute haben mich begrüßt, ich hab die Leute begrüßt. Und als ich noch Kind war, habe ich entschieden: Das will ich mal machen!

Dann hab ich mal kurz was anderes gemacht, aber nicht lange. Ich habe eine kaufmännische Lehre gemacht, dann Betriebswirtschaft studiert und war noch mal kurz in anderen Firmen, um ein bisschen was anderes zu sehen. Aber ich habs nicht länger als eineinhalb Jahre woanders ausgehalten. Dann bin ich nach Hause gekommen und habe – wie man so sagt - von der Pike auf alles gelernt, also in der Produktion angefangen.

Und dann hab ich den Entschluss gefasst, dass wir an unserer Firmenstrategie einiges ändern müssten um auch die Zukunft langfristig zu sichern. Wir waren ja ein sehr kleiner Hersteller, sind ja immer noch kein großer, aber bedeutend größer als damals. Ich hab dann entschieden, dass wir uns bei der Betriebsgröße, die wir hatten, aus dem Massengeschäft zurückziehen und mehr nach Qualität streben mussten statt nach günstigen Preiseinstiegsprodukten, so war das nämlich damals.

Und was liegt da näher, wenn man sich mit höchster Qualität befasst, als zu sagen, ich mach das jetzt alles, was wir haben, in Bio. 

Das heißt, wir haben dann mit meinem Einstieg in die Firma begonnen, unser Sortiment auf Bio umzustellen. Ich bin 1996 in die Firma eingetreten, 1998 haben wir dann die ersten Bio-Produkte gemacht. Fünf Jahre später hatten wir einen Demeter-Vertrag. Das kam aus dem Gedanken, die bestmögliche Qualität herzustellen, im Rahmen unser rezepturlichen Möglichkeiten. 

Keuer: Wie war der Generationswechsel von Großvater, Vater und zu Ihnen - ist das Hand in Hand gegangen?

Praum: Mein Großvater war schon lange verstorben, die Generation der Großeltern war nicht mehr da, als ich in die Firma gekommen bin, wohl aber mein Vater, meine Mutter und mein Onkel. Mein Vater und mein Onkel haben sich die Geschäftsführung geteilt, mein Onkel war der kaufmännische Geschäftsführer und mein Vater der technische Produktions-Geschäftsführer. Der Generations-Übergang war äußerst harmonisch. Großes Lob an die Eltern-Generation, das war schon beispielhaft. Wie die das geschafft haben, mich als jungen Nachfolger meine Sachen machen zu lassen. Sie haben sich immer nur stückweise zurückgezogen, so wie sie gesehen haben, dass das der richtige Weg ist. Aber sie sind immer da geblieben und haben mich unterstützt in meinem Tun.

Schürgers: Hat die Umstellung auf Bio Bestätigung gefunden oder mussten sie dafür erst Verständnis schaffen?

Praum: Ja zumindest musste ich das mal erklären, weil das für die ältere Generation nicht so präsent war, wie für mich. Aber sie haben sehr schnell verstanden, dass das für uns der richtige Weg ist. Wir waren zwar nicht im Premium-Segment unterwegs, aber wir hatten schon immer sehr schlanke Rezepturen, was sehr gut zu Bio passt.

Das heißt auch, das es für uns von der Produktentwicklung her nicht besonders schwierig war, die Produkte in Bio herzustellen, weil wir sowieso nicht mit irgendwelchen Helferlein aus der Trickkiste gearbeitet haben, sondern nur mit ganz normalen Rohstoffen, ohne Aromen und Stabilisatoren. Daher war es gar kein Problem, den Zwieback und die ganze Kekslinie auf Bio umzustellen.

Keuer: Was war der Auslöser, der Impuls, um auf die Bio-Herstellung zu wechseln? 

Praum: Ja, wie gesagt, meine gewünschte Ausrichtung hin zu mehr Qualität im Sinne von Qualität des Produktes, angefangen beim Rohstoff natürlich, und dann in der Verarbeitung. Die Umstellung wurde aber auch ausgelöst durch Menschen, die ich kennen lernte und die mich an die Hand genommen haben. Das war auch eine große Motivation, dass ich dann die Demeter-Mitgliedschaft angestrebt habe. Der Mensch, der mich da am meisten mitgenommen hat, war Karl Huober. Wir haben sehr früh angefangen, zusammenzuarbeiten. Wir durften für ihn eine Zeitlang Demeter-Zwieback herstellen und da waren wir sehr häufig in sehr intensiven Gesprächen und haben uns oft gesehen. Er hat mir viel über Demeter-Landwirtschaft, über Anthroposophie und auch über seinen Werdegang gesagt. Er hat mir erzählt, wie er als jüngerer Mann eingestiegen ist, da gab es gewisse Parallelen. Im Prinzip habe ich mich von ihm inspirieren lassen, wie man für eine konventionelle Firma die Umstellung schafft auf sinnvolle Produkte, dann auch auf Demeter Produkte.

Schürgers: Was hat sich für Sie besonders verändert oder was war die größte Herausforderung bei der Umstellung?

Praum: Das war keine Herausforderung, das lief. Es war eigentlich immer das Gefühl, so soll es sein. Also das Einzige, was natürlich ein bisschen herausfordernd war, war die richtigen Partner zu finden auf der Lieferantenseite, weil wir natürlich andere Lieferanten hatten zu diesem Zeitpunkt.

Schürgers: Zum Zwieback sind viele Produkte dazu gekommen. Wie hat sich die Produktpalette entwickelt in den letzten 160 Jahren?

Praum: Also in den letzten 160 Jahren war es so, dass in den ersten 80 Jahren tatsächlich nur Zwieback hergestellt wurde. Dann ging es so langsam los, in den 20er, 30er Jahren, dass bei uns Süß- und Salz- Gebäck gemacht wurde. Am Anfang Süß-Gebäck nur zu Weihnachten. Dann kam mit der Zeit die Salzbrezel- und Salzsticks-Produktion dazu und das ist so geblieben bis in die 90er. Dann haben wir anfangen mit der Umstellung auf Bio, und damit haben wir auch angefangen, mehr Rezepturen zu kreieren. Bei Zwieback ist zum Beispiel der ungesüßte Zwieback entstanden. Bis dahin waren alle unsere Zwiebacke gesüßt, es war halt so, dass Zwieback süß war. Aber der Naturkosthandel hat ungesüßten verlangt.

Im Gebäckbereich haben wir dann viele neue Kreationen geschaffen, um nicht nur in der Vorweihnachtszeit Programm anbieten zu können, sondern das ganze Jahr über. Es sind auch viele salzige Produkte und Snacks dazugekommen, aber nicht Salzlaugen- und Salzsticks-Gebäck, das haben wir eingestellt. Dafür gibt es jetzt unser Pane Picco, das es ja jetzt auch schon seit 15 Jahren gibt.

Keuer: Wie nehmen Sie ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fachlich mit?

Praum: Wir haben interne Schulungen, die in der Regel vom Bereich Qualitätsmanagement durchgeführt werden und da schulen wir das Verständnis für Bio und Demeter. Das wird so begleitend immer mitgeschult, weil das für das Verständnis der Rezepturen und der Arbeit und für das Verständnis der verschiedenen Marken, die wir machen, auch ganz, ganz wichtig ist. Wir machen ja neben unserer Marke Sommer auch die eine oder andere Handelsmarke und dann ist natürlich wichtig, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch die Rezepturen verstehen und wissen, worauf es ankommt hier an bei den Produkten. 

Schürgers: Sie stehen in Kontakt mit der Bingenheimer Saatgut AG. Sie scheinen sich mit dem Thema Züchtung zu befassen, was ist Ihnen wichtig?

Praum: Ja, Züchtung wird ja zunehmend wichtiger, aus verschiedenen Gründen. Einmal, dass man Sorten hat, die bessere Resistenzen entwickeln, um dem Klimawandel besser begegnen zu können. Für uns ist es eine Herzensangelegenheit, dass es biodynamische Sorten gibt, die man einsetzen kann. Mit Bingenheimer tauschen wir uns aus, weil wir räumlich in der Nähe sind. Es ist sehr befruchtend, mit Menschen zu sprechen, die eine ganz andere Tätigkeit haben im Bereich der biologisch-dynamischen Landwirtschaft als wir. Aber wir verfolgen jetzt nicht gemeinsame Züchtungsprojekte, für uns ist ja vor allem die Getreidezüchtung interessant und nicht Gemüsezüchtung. Es hat keinen praktischen Grund, dass wir uns austauschen, es geht nur um die Zusammenarbeit. 

 Schürgers: Sie kommunizieren auf der Homepage sehr stark die regionale und saisonale Ernährung. Haben sie die Lieferanten auch hier im Bereich? Wie ist der Kontakt zu Ihren Lieferanten?

Praum: Natürlich versuchen wir, soweit es geht, regional einzukaufen. Das ist natürlich bei Demeter-Dinkel nicht so leicht, weil die Mühlen nicht hier im Rhein Main Gebiet ansässig sind. Aber wir kaufen bei den Mühlen, die uns geografisch am nächsten sind. Das Getreide, das die vermahlen, das kommt überwiegend aus Hessen, Rheinland-Pfalz oder Saarland, also schon regional im weiteren Sinne. Hier um den Kirchturm herum gibt es keinen Dinkel-Anbau, es ist kein Dinkel-Anbaugebiet hier und es gibt jetzt auch in unmittelbarer Nähe keine Bio- und schon gar keine Demeter-Mühle.

Keuer: Das Biosegment im allgemeinen, aber auch in ihrem Unternehmen ist ja in den letzten Jahren ziemlich stark gewachsen. Hätten Sie vor 20 Jahren gedacht, dass sich das einmal in dieser Größenordnung so entwickelt?

Praum: Das hab ich mir so gedacht, ja. (Alle lachen)
Jedenfalls für mich war klar, als wir mit Bio anfingen, dass das nicht nur eine Modeerscheinung ist, sondern dass das eine grundlegende Änderung im Bereich Landwirtschaft und Ernährung sein wird. Das lag ja damals schon auf der Hand, dass es so nicht weitergehen kann und dass die Kunden auf jeden Fall mehr und mehr zu naturnaher Ernährung tendieren und dann ist das eben Bio oder Demeter oder auch ein anderer Anbauverband. 

Als wir entschieden haben, uns dem Bereich Bio zu widmen, waren wir ja auch so eine kleine Firma, dass auch der Markt damals schon – der noch viel kleiner war als der jetzige - längst groß genug war, dass wir da Platz finden konnten. Als kleiner Hersteller hat uns damals schon das Potenzial gereicht und umso schöner ist es, dass das noch gewachsen ist durch den Zuspruch der Kundinnen und Kunden. Wir waren damals, als wir anfingen, bei einem Bio Anteil von ein bis zwei Prozent. Das hat sich vervielfacht seitdem. Und der Bio-Anteil bei uns im eigenen Unternehmen der liegt schon seit fast 20 Jahren bei so gut wie hundert Prozent.

Schürgers: Die Politik hat sich zum Ziel gesetzt, 30% Ökolandbau im Jahr 2030 zu erreichen. Was glauben Sie, was sich ändern muss , damit das erreicht werden kann?

Praum: Ändern muss sich, dass das, was Politik sich zum Ziel setzt, auch so umgesetzt wird von den Verbraucherinnen und Verbrauchern. Nur wenn die Produkte konsumiert werden, wird auch angebaut. Also das bedeutet, dass man auf der Kundenseite ansetzen muss, also ich meine damit nicht die Handelskunden, sondern die Endkunden. Da muss Bewusstsein geschaffen werden, dafür, was sinnvolle und nachhaltige und gesunde Ernährung bedeutet. Aufklärung. Wenn man den Leuten erklärt, wie eine gesunde Ernährung aussieht, kommen sie automatisch dahin, dann auch Bio-Produkte zu kaufen. 

Keuer: Wo sehen Sie noch Ansatzpunkte, wo man Verständnis für Lebensmitteln vermitteln kann?

Praum: Ich finde, es wird im Kindesalter viel zu wenig Wert auf Ernährung gelegt. Das findet ja vor allem zu Hause statt - oder findet auch nicht statt. Aber vielleicht wäre es sinnvoll, in der Erziehung - also im Kindergarten, in der Schule - mehr mit Ernährung zu machen. Es kommt ja fast gar nicht vor, dass über Ernährung gesprochen wird. Und wenn, dann wird es vielleicht kurz im Bio-Unterricht gestreift und dann wars das auch. Es ist aber ein Thema, das ja nicht nur im naturwissenschaftlichen Unterricht vorkommen sollte. Das muss eigentlich in allen Bereichen vorkommen, das ist ja eine kulturelle Leistung. Da geht es nicht nur darum, den Kindern zu erklären, dass man Bio essen sollte, sondern es geht ja auch darum, Fertigkeiten zu vermitteln, Nahrung zuzubereiten. Es ist so wichtig, dass ein Mensch in der Lage ist, etwas Gescheites zu essen zuzubereiten, also zu kochen oder zu backen, dass das einfach gelehrt werden muss. Wenn es im Elternhaus nicht stattfindet, dann sollte es zunächst in der Schule mehr als nur erwähnt werden, denn es ist ja unsere Grundlage. Es ist für uns körperlich die Grundlage, es ist geistig die Grundlage - wenn sie nichts Gescheites gegessen haben, können Sie nicht ordentlich denken – es ist aber eben auch eine kulturelle Grundlage. 

Keuer: Gibt es aus der Region auch Anfragen von Kindergärten, von Schulen, um zu erfahren: Wie macht ihr das, warum macht ihr das?

Eschment: Letztes Jahr hatten wir ein erstes Kooperations-Projekt mit Grundschulen. Wir haben zur Einschulung eine Aktion gemacht. Die Grundschulen konnten sich bewerben und ein Schüler konnte einen Ausflug in unser Unternehmen gewinnen. Wir haben die Kinder eingeladen und in Abstimmung mit den Lehrern über Bio-Ernährung aufgeklärt und eine kleine Führung gemacht dazu gemacht, was mit den Erzeugnissen passiert, wie sie verarbeitet werden. Das ist ein Schritt für uns, Aufklärungsarbeit zu leisten. 

Schürgers: Wenn Sie jetzt als Jubilar einen Wunsch frei hätten - oder auch mehrere – an den Verband, was würden sie sich wünschen? Sie haben ja bereits die Aufklärung über gesunde Ernährung, Bio-Produkte und biodynamischen Anbau genannt. 

Praum: Ja das, das ist für mich aktuell das Wichtigste, was der Verband leisten kann. Das wäre unser Wunsch.

Eschment: Ich hätte noch einen Punkt aus der Ernährungsthematik heraus. Der Vegan-Trend ist ein starker Trend. Es haben sich vegane Anbauverbände gegründet, wo man versucht, das Thema aufzubereiten. Welche Möglichkeiten sieht Demeter in dieser Kommunikation, auf das Thema Vegan ohne Tierhaltung einzugehen und es modern zu interpretieren? Da gibt es Reibungspunkte, auf die man eingehen muss.

Schürgers: Sie haben gesagt, dass die Umstellung ziemlich reibungslos funktioniert hat. Gab es dennoch ein Schlüsselerlebnis, bei dem Sie dachten, jetzt hat sich wirklich etwas verändert? 

Praum: Die Backeigenschaften sind bei einem so empfindlichen Produkt wie Zwieback etwas anders, wenn man mit einem Demeter-Dinkelmehl backt.

Aber dafür sind wir lange genug Zwieback-Bäcker, um das hinzubekommen. Aber das war eine Umstellung, schon auch in der Produktion.

Was ich dann irgendwann mal als sehr positiv wahrgenommen habe, aber das war nicht so ein einzelnes Erlebnis: In der Biobranche herrscht ein anderer Ton als im konventionellen Bereich. Ob das so ist, dass die Lebensmittel, mit denen sich die Marktteilnehmer da befassen, irgendwie positiv abfärben auf das Verhalten, das kann ich nicht beurteilen. Aber es ist ein partnerschaftlicheres Zusammenleben als im rein konventionellen Geschäft. Das habe ich so wahrgenommen. Vielleicht liegt es aber auch am Generationswechsel in dieser Zeit. 

Keuer: Heißt das auch für Sie, dass Sie mit Ihren Lieferanten schon lange zusammen arbeiten und eine gute Anbindung haben? 

Praum: Ja. Grundsätzlich streben wir an, dass wir mit einem Lieferanten langfristig zusammenarbeiten, das ist auch so. Insbesondere bei den Hauptrohstoffen also Getreide und Mehl, da ist es ganz wichtig, dass man eine langfriste Zusammenarbeit hat, allein schon wegen der Verfügbarkeit der Sorten, die wir brauchen. Ein Mehl ist ja meistens eine Mischung aus verschiedenen Schlägen, so dass die Backeigenschaften über die Zeit möglichst gleich bleiben. Da brauchen wir Verlässlichkeit auf beiden Seiten. Unsere Partner müssen wissen, dass wir es über die Zeit abnehmen, der Müller muss es so weiter geben, dass die Landwirte weiter für ihn anbauen und das führt dazu, dass man auch ohne schriftliche Vereinbarungen von Jahr zu Jahr weiter miteinander arbeiten kann. Das ist ganz toll. Es ist ganz klar, dass bestimmte Bauern hinter den Sorten stehen und die Qualitäten liefern, damit wir ein optimales Mehl haben. 

Als wir anfingen, uns mit Dinkel zu befassen, war das nicht ganz so leicht, die richtige Zusammensetzung für Zwieback zu finden. Da haben wir viel mit den Müllern zusammen gearbeitet.

Schürgers: Gibt es einen Meilenstein, der Ihnen ganz besonders in Erinnerung geblieben ist?

Praum: Wir sind ja vor 13 Jahren – Anfang 2010 – komplett umgezogen mit der Firma. Das ist natürlich der Meilenstein überhaupt. Wir haben am 2. Februar 2010 in Friedrichsdorf das letzte Mal gebacken und am 3. Februar das erste Mal hier. Das ist natürlich für mich und meinen Vater und für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die vom alten Standort zu dem neuen Standort mitgegangen sind – ein ergreifender Moment gewesen. Alle sind mitgezogen: Die Techniker, die Produktionsleute, die Verwaltung – die haben das alle mitgetragen. Es war natürlich eine schwierige Zeit, bis alles lief, aber das ist der Meilenstein der letzten Jahre gewesen – das hat die Firma ganz anders aufgestellt. Das hat dann erst Wachstum zugelassen, von den Räumlichkeiten, von den Kapazitäten. Das ist der Meilenstein in meinem Berufsleben bisher.

Keuer: Das heißt, die ganze Unternehmerschaft ist komplett mit umgezogen und hat das auch unterstützt und ist weiterhin auch langjährig treu geblieben.

Praum: Ja also unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind glücklicherweise sehr lange bei uns, viele schon über zwanzig Jahre – das ist natürlich wertvoll. Da ist so viel Erfahrung, die das Ganze trägt.

Schürgers: Gibt es ein Produkt, dem sie selbst am wenigsten widerstehen können?

Praum: Cantuccini - das ist das erste Produkt, das ich entwickelt habe als Neu-Zugang hier in der Firma. Es ist nach wie vor eines unserer besten, also von den Verkaufszahlen - und auch das, was von mir am meisten verzehrt wird.

Keuer: Was macht das Produkt so besonders?

Praum: Die Geschichte zum einen und dass es einfach wahnsinnig lecker ist. Lecker ist es, weil es einfach eine tolle Rezeptur ist: Viele Mandeln, schön süß, knackig. Ich mag gern knusprige Konsistenzen bei Keksen. 

Und besonders ist es von der Geschichte her. Die Idee habe ich aus den Flitterwochen mitgebracht… 

Schürgers: Aus Italien dann wahrscheinlich?

Praum: Tatsächlich nein, aus Kalifornien. (Alle lachen)

Die Idee haben wir in den Coffee-Shops bekommen. Dort gab es ein Produkt, das hieß Biscotti – in Amerika heißen sie halt Biscotti. Die waren zwar knüppelhart, aber wir dachten, wenn wir die besser machen, dann können wir die gut in Deutschland verkaufen. Wir sind dann heim gekommen und haben uns an die Entwicklung dieses Produkts gemacht. Es ist bis heute eines der ganz starken Produkte. Und inzwischen heißt es auch Cantuccini – eben wie in Italien.

Schürgers: Und Sie tauchen es dann in einen Vin Santo … oder eher in Kaffee?

Praum: Vinsanto mag ich nicht. Ich finde es passt besser zu einem Kaffee oder Espresso. Ich finde, man kann sie auch gut so essen.

Schürgers: Haben sie einen großen Wunsch, was Sie gerne entwickeln würden? Ihr Gebäcktraum oder Ihr Unternehmenstraum?

Praum: Mein Traum ist, dass ich die Firma so aufstelle, dass sie funktioniert, wenn ich sie nicht mehr mache. So wie es die letzten 160 Jahre auch war, dass es immer von einer zur nächsten Generation einen guten Übergang gab. Mit Menschen, die übernommen haben, die wirklich ihr Herzblut darein gegeben haben. Das sehe ich auch als meine Verantwortung, weil hier ja eben 105 sehr geschätzte Kolleginnen und Kollegen arbeiten. Eine Firma ist halt nicht ‘ne One-Man-Show von einem Unternehmer oder Inhaber, sondern das ist eine Gemeinschaftsveranstaltung. Und das wäre wirklich mein Traum, dass das noch Generationen weiter läuft. Ich bin jetzt die Fünfte, es wäre schön, wenn es mal die Zehnte gibt….in welcher Konstellation auch immer. 

Ich glaube, was uns ausmacht, ist Unabhängigkeit, familiäres Umfeld. Und das geht auch nur bis zu einer bestimmten Größe, deshalb ist Wachstum nicht unbedingt eine Wunsch-Vorstellung, sondern mein Wunsch ist, dass es tragfähig ist und das geht eben nur mit den richtigen Produkten, mit Qualität.

Keuer: Das heißt also, der Generationenwechsel und unternehmerischer Erhalt sind schon mit im Fokus. Gibt es schon Menschen, die aus der Familie oder aus der unternehmerischen Familie heraus ambitioniert sind, das in Ihrem Sinne weiterzuführen?

Praum: Na ja, ich bin jetzt Mitte 50, also es ist jetzt noch nicht so akut (lacht).

Aber natürlich muss man sich auch immer Gedanken machen, wie geht es mal weiter, wenn ich nicht mehr bin – es kann immer etwas passieren.

Aber es gibt noch nichts Konkretes, nein. Allerdings gibt es Hoffnungen…auf Seiten der Kinder. Ich habe Hoffnung, dass sie Spaß daran haben.

Schürgers: Das ist ja ein Prozess, der lange dauert, da muss man ja auch reinwachsen. 

Praum: Ja, das geht nur freiwillig. Die Entscheidung muss reifen und es muss auch die Fähigkeit da sein. Es reicht nicht, es nur gerne zu machen. Aber viel wichtiger als das ist die innere Einstellung, sich dafür auch ins Zeug zu legen. Wenn man es selber mit Herzblut macht, findet man auch Begleiter, die da mitgehen. Man muss den Funken überspringen lassen. Nicht nur in der Familie, sondern auch auf alle Kolleginnen und Kollegen. Das heißt, da muss auch Spaß bei der Sache sein! Wir haben natürlich das Glück, dass wir Produkte haben, die auch einen Spaßfaktor haben. Man braucht sie nicht als Grundnahrungsmittel, aber sie versüßen das Leben. Wenn man sie isst, macht das Freude. Das wollen wir mit unseren Rezepturen vermitteln und mit unserem Auftritt. Deshalb haben wir – passend zum Jubiläum – auch die Gestaltung überarbeitet und aktualisiert – aber so farbenfroh wie bisher auch. Um diese Freude am Backen, die wir alle haben, zu transportieren.

Schürgers: Das ist ein hervorragender Schlusssatz. Möchten Sie uns dann noch was mit auf den Weg geben?

Praum: Dass wir mit Demeter weiter so gut zusammenarbeiten wie bisher auch. Es war die richtige Entscheidung, dass wir uns damals dafür entschieden haben. Es war auch überhaupt nicht die Frage, machen wir Demeter oder was anderes? Sondern der Wunsch war damals Demeter. Und wenn ich es heute zu entscheiden hätte, würde ich es genauso wieder machen. 

Das Interview führten

Andrea Schürgers ©

Andrea Schürgers

Geschäftsführende Vorständin

Landesverband Demeter im Westen e.V.

Thorsten Keuer

Regioreferent Landesverband Demeter im Westen

Landesverband Demeter im Westen e.V.